„Wenn wir einen Neubau entwickeln, dann fragen wir uns: Wer wird hier leben, wie werden die Personen sich fortbewegen, und was brauchen sie für den täglichen Bedarf?“
PHILIPA WEYERS | HOWOGE-Referentin für Quartiersentwicklung Neubau
Die städtische Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE plant und baut schon heute das Fennpfuhl-Quartier von morgen.
Die Berliner Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE, stellt sich genau diese Frage.
„Unsere Arbeit besteht darin, das Quartier als Ganzes zu sehen und als Ganzes weiterzuentwickeln“, sagt Philipa Weyers, HOWOGE-Referentin für Quartiersentwicklung Neubau. Sie gehört zu einem vierzigköpfigen Team innerhalb des Bereichs Neubau, das sich mit Quartiersaspekten zum Thema Wohnungsneubau beschäftigt, und sich zur Aufgabe gemacht hat, die Stadt der Zukunft mitzugestalten – auch am Fennpfuhl.
„Wenn wir einen Neubau entwickeln, dann fragen wir uns: Wer wird hier leben, wie werden die Personen sich fortbewegen, und was brauchen sie für den täglichen Bedarf?“
PHILIPA WEYERS | HOWOGE-Referentin für Quartiersentwicklung Neubau
Was in den nächsten Jahrzehnten relevant sein wird, das muss schon heute konzeptioniert, gebaut oder umgebaut werden. Dabei fließen die großen Themen der Zeit ein: Mobilitätswende, Klima, demografischer und sozialer Wandel.
Die besondere Aufgabe am Fennpfuhl bestehe darin, so Philipa Weyers, die Bedürfnisse ganz unterschiedlicher Bewohnergruppen zu identifizieren und für jede von diesen nachhaltigen Angeboten zu schaffen. Ein großer Teil der Bewohnerinnen und Bewohner sind ältere Menschen. Unter anderem diejenigen, die vor 50 Jahren hierher gezogen sind als die Plattenbau-Großsiedlung ihre Pforten öffnete. Ein halbes Jahrhundert später sind ihre Kinder längst erwachsen, sie selbst verbringen am Fennpfuhl ihren Lebensabend. Gleichzeitig findet ein Wechsel der Mieterinnen und Mieter statt. Junge Familien rücken stetig nach, Studentinnen und Studenten, Menschen aus anderen Kulturen. Für sie alle muss mitgedacht werden.
In diesem Zusammenhang ist die „15-Minuten-Stadt“ ein zentraler Begriff. Zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem E-Roller – alles soll gut und schnell erreichbar sein: Supermärkte, Kitas, Ärztinnen und Ärzte, Cafés, Pflegeeinrichtungen. Das eigene Auto wird in Zukunft als Fortbewegungsmittel unbedeutend bzw. abgeschafft sein. „Langfristig brauchen wir keine Parkplätze und Tiefgaragen, sondern eher Mobilitätspunkte und Car-Sharing-Angebote“, so Philipa Weyers. Daraus folgt die Überlegung, die Flächen anders zu nutzen und umzugestalten.
In Hinblick auf die Bestandserweiterungen sind zukunftsweisende Formen des Zusammenlebens in Planung. Generationsübergreifendes Wohnen zum Beispiel. Objekte, in denen das möglich ist, werden ganz anders konzipiert als herkömmliche Mietshäuser. Sie haben Gemeinschaftsflächen und sollten barrierearm konzipiert sein. Um solche Vorhaben umzusetzen, braucht es Netzwerke, zum Beispiel mit Trägern.
Auch hier geht es darum, über den eigentlichen Wohnraum hinaus zu denken. Was kann etwa in den Erdgeschossen dieser Häuser passieren? „Nachbarschaftscafés sind denkbar, aber auch kommerzielle Anbieterinnen und Anbieter sollen hier einziehen. Hier gilt es, eine gute Mischung herzustellen“, erläutert Philipa Weyers. Eine Idee ist, mehr Handwerk im Kiez anzusiedeln, Atelierwohnungen zu schaffen, um Kreative, die momentan noch die zentraleren Lagen für ihre Arbeitsstätten bevorzugen, in den Kiez zu ziehen.
„Grünraume“ ist auch ein Wort, das häufig fällt. Zwar biete das Quartier schon viele Außenflächen, es soll aber noch mehr davon geben, das schafft Lebensqualität. Dabei werden auch Klimakonzepte, wie Entsiegelungsmöglichkeiten und das Auffangen von Regenwasser, in die Planungen einbezogen.
An all diesen Veränderungsprozessen sollen die Menschen, die am Fennpfuhl leben, teilhaben. „Wir möchten nicht vom Schreibtisch aus handeln“, so Philipa Weyers. „Deswegen sprechen wir mit Mieterinnen und Mietern, dem Mieterbeirat, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kundenzentrums und den Hausmeistern.“
Tiefe Einblicke in die Strukturen des Quartiers am Fennpfuhl hat zum Beispiel Karen Schulz, Leiterin des HOWOGE-Kundenzentrums am Fennpfuhl. Ihr täglicher Arbeitsplatz: das HOWOGE-Hochhaus am Anton-Saefkow-Platz. Vor allem die zunehmende Heterogenität der Mieterschaft bestimmt ihrer Meinung nach die Entwicklung des Quartiers. Darin liegen Potenziale, aber auch Herausforderungen. „Die Mieterin oder den Mieter gibt es hier nicht“, sagt sie. „Manche wollen einfach nur ganz in Ruhe wohnen. Andere freuen sich über Angebote, wie Nachbarschaftstreffs. Und wieder andere nehmen das Zepter selbst in die Hand und überlegen sich Aktionen.“
Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Das gehört zum Tagesgeschäft. Ein Beispiel: Es gab Klagen in einem Doppelhochhaus mit der hohen Anzahl von 296 Wohnungen. „Die Aufzüge waren verschmutzt, es war zu laut, Müll stand vor der Tür … Die typischen Alltagsprobleme eben“, erzählt Karen Schulz.
Ihre langjährige Erfahrung hat sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelehrt, dass vor allem eins wichtig ist: gesunder Menschenverstand. „Wir haben überlegt, was wir tun können. Und schließlich entschieden: Lass uns doch einfach Sprechstunden vor Ort organisieren. Und genau so haben wir es gemacht. Da ist jetzt wieder Frieden eingekehrt.“
Sicherheit ist ein weiteres großes Thema am Fennpfuhl. Wichtig ist Karen Schulz, dass es keine „Angsträume“ gibt, dass alles gut beleuchtet ist, dass Kinder sich behütet fühlen.
Sauberkeit, Harmonie, Geborgenheit – das sind die zeitlosen Wünsche am Fennpfuhl, die das ganz normale Leben bestimmen. Wohl auch in Zukunft …
„Wir haben überlegt, was wir tun können. Und schließlich entschieden: Lass uns doch einfach Sprechstunden vor Ort organisieren. Und genau so haben wir es gemacht. Da ist jetzt wieder Frieden eingekehrt.“
KAREN SCHULZ | Leiterin des HOWOGE-Kundenzentrums am Fennpfuhl
Auch deswegen ist ein großes Anliegen der HOWOGE, Gemeinschaften zu wahren und neue aufzubauen. Denn, wer sich identifiziert, kümmert sich auch. „Wir können zwar keine Wunder bewirken“, sagt Karen Schulz. „Aber wir können versuchen, Menschen zusammenzubringen. Das schafft Verbindung, und das braucht das Quartier.“ Und es hört sich doch nach einem kleinen Wunder an, wenn sie von dem Seniorentreff berichtet, der nun schon seit über zehn Jahren wöchentlich im Konferenzraum des Kundenzentrums tagt – mit Kaffee und Kuchen, zum Teil gesponsort von der HOWOGE. „Da hat sich ein fester Kreis entwickelt. Die Rentnerinnen und Rentner organisieren Ausflüge und sind vor Ausbruch der Corona-Pandemie sogar zusammen in Urlaub gefahren. “ Noch mehr Communitys aufzubauen und vorhandene zu stärken, wird in Hinblick auf die fortschreitende Durchmischung der Mieterschaft noch wichtiger werden.
Dass so vieles so gut läuft, ist eine große Motivation für das HOWOGE-Team am Fennpfuhl. „Die meisten Menschen leben gerne hier“, erzählt Karen Schulz. Und das soll auch so bleiben. Dafür lohne es sich, auf den Beinen zu sein, jeden Tag aufs Neue.
Auch für Katja Vollmar, bei der HOWOGE Abteilungsleiterin der Immobilienbewirtschaftung, steht der Mensch im Mittelpunkt. „Wir wollen, dass die Nachbarschaften funktionieren.“ Dennoch dürfe der Hauptauftrag, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, nicht in den Hintergrund rücken. Die Anliegen müssen sich die Waage halten.
Seit 1995 ist Katja Vollmar nun schon in der Wohnungsbaugesellschaft tätig. Inzwischen verantwortet sie Bauprojekte und Ankäufe. Energetische Aspekte spielen beim Neubau eine zentrale Rolle. Auch die Bestände sollen in Zukunft klimafreundlich werden. Viele von ihnen bieten Potenzial für energetische Sanierungen. Dabei sollen künftig auch immer Möglichkeiten für erneuerbare Energiegewinnung geprüft werden.
Ein Beispiel dafür, dass die HOWOGE bei der Schaffung von Wohnraum auf hohe Qualität und Innovationen setzt, ist der Neubau in der Paul-Zobel-Str. 10 & 10A. Hier entstanden auf rund 4.000 Quadratmetern zwei achtgeschossige Wohnhäuser, die generationsübergreifendes Wohnen ermöglichen. Für die gelungene Umsetzung wurde die HOWOGE nach der Fertigstellung im Jahr 2019 mit dem Lichtenberger Bauherrenpreis in der Kategorie Neubau ausgezeichnet. Die Jury betonte die „unverwechselbare eigene Identität“ des Neubaus. Mit dem Vorhaben seien „unterschiedliche Freiräume entstanden – z.B. der geschützte Freiraum der Kita und ein halböffentlicher Platz für den Aufenthalt der Bewohner“.
Katja Vollmar liegt das Quartier übrigens nicht nur aus beruflichen Gründen am Herzen. Sie ist am Fennpfuhl großgeworden. Ihre Familie war eine der ersten, die hier einzog. 11. Etage, Blick auf den Park. „Freundinnen, Schule, Schwimmhalle, Bibliothek – alles war zu Fuß erreichbar“, erzählt sie. Den Geist der Geborgenheit möchte sie gern bewahren.
Die Identifikation mit dem Umfeld sei bei den Älteren besonders stark vorhanden. „Heute ist es wichtig, auch für die Zugezogenen starke Anker zu schaffen“, meint sie. Diese werten wiederum das gesamte Quartier auf, sodass es Strahlkraft über seine Grenzen hinweg entwickelt. Auch kulturelle Angebote sind denkbar.
„Heute ist es wichtig, auch für die Zugezogenen starke Anker zu schaffen.“
KATJA VOLLMAR | Abteilungsleiterin der HOWOGE Immobilienbewirtschaftung
Natürlich können die Beteiligten diese vielen Themen nicht alle auf einmal angehen. Aber Schritt für Schritt. In einer „Zukunftswerkstatt“ zum Fennpfuhl-Areal erarbeiteten HOWOGE-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit Stadtplanerinnen und Stadtplanern sogenannte Fokusräume, in denen priorisiert gehandelt werden soll. Die Belebung der Randgebiete gehört zu den nächsten Schritten.
Das Quartier soll insgesamt attraktiver werden. Grüne Wege durch das ganze Areal könnten zu Stadtwanderungen einladen, Coworking am Anton-Saefkow-Platz neues Flair bringen. Auch für jüngere Menschen soll das Viertel interessanter werden. Für die Garagen an der Max-Brunnow-Straße braucht es neue Pläne. Auch mal etwas ausprobieren – das ist die Devise. Ideen erwünscht!
Es gilt, wieder und wieder abzuwägen: Wo müssen die Stadt Berlin und/oder andere Akteure ans Werk? Wo müssen alle an einem Strang ziehen? Wirtschaftlichkeit steuert am Ende des Tages auch bei der HOWOGE die Prozesse.
Dennoch: Groß denken, die einzelne Wohnung sowie das gesamte Areal über die Grenzen hinauswachsen lassen, räumlich, zeitlich, gemeinschaftlich – so lässt es sich wohl auf den Punkt bringen.
Das alles stellt einen Berg Arbeit dar, aber es macht auch Freude. Und diese Lust an der Zukunft treibt an.
Ina Kaifi, Angewandte Kulturwissenschaftlerin M.A. und freie Redakteurin und Autorin, schreibt für zahlreiche Medien und Unternehmen, u. a. im Auftrag der HOWOGE.
Anlässlich des 50. Jubiläums der Grundsteinlegung des Wohngebietes Fennpfuhl fand am 12. Oktober 2022 die „Konferenz 50 Jahre Wohngebiet Fennpfuhl“ statt. Die Dokumentation der Konferenz finden Sie hier zum Download.